Im Jahr 2011 wagte es ein Endzeitfilm in das (damals) ferne Jahr 2016 zu springen. Bleibt die Frage ob der Filmtitel die Ursache der erhöhten Sonnenaktivität benennt, da die Sonne nun „hell“ scheint, oder eben heller. Oder ob das englische Worte für Hölle gemeint ist, denn was von der Erde übrig ist, kocht wie ein gemütlicher Wintertag in der Hölle.
Story/Inhalt
Eine Temperaturveränderung von 10 Grad Celsius hat die Zivilisation, wie wir sie kennen, über die Klippe in den Abgrund gestürzt. Wie Alice in Resident Evil, schreckt eine Protagonistin hoch. Allerdings nicht in eine Welt voller Zombies, sondern eine verdorrte Einöde ohne Wasser und Vorräte. Mit einem Auto reisen Philipp, Marie und Leonie durch die Einöde in der Hoffnung im Hochgebirge Wasser und Vorräte zu finden. An einer Tankstelle treffen sie einen anderen Überlebenden, der ihnen für Vorräte hilft und schließlich anschließt. Doch kaum sind zwei Männer im Auto bauen sich Spannungen auf.
Bei Erreichen der Stelle, an der die Eröffnungssequenz gezeigt wird, müssen sie das Hindernis aus dem Weg räumen. Dabei werden sie überfallen und Leonie samt dem Auto entführt. Der Befreiungsversuch schlägt fehl und die Gruppe wird getrennt. Marie schlägt sich zu einer Kirche durch, bei der sie eine überlebende Frau trifft, die sie zu ihrem Zuhause mitnimmt. Einige Überlebende haben sich dort zusammengetan um irgendwie durchzukommen. Doch an dem sicheren Hafen ist wohl was faul. Und wirklich: die Familie steckt hinter den Überfällen, und hat besondere Pläne für die Frauen.
Die Geschichte ist für einen Debütfilm ganz gut, bedient sich aber auch an Genrevertretern. Die eigene Note ist erkennbar und gibt dem Ganzen einen gewissen Charme. Doch das teilweise naive, oftmals einfach dumme Verhalten ist ein Manko. Für eine deutsche Produktion eine gute Arbeit, die 7 von 10 Punkten verdient.
Schauspieler
Hannah Herzsprung spielt als Marie die Hauptrolle. Der Film war noch einer Rolle im Oscar prämierten Film „Der Vorleser“ und einer Rolle in „Der Baade Meinhoff Komplex“ das Sprungbrett zu größeren Produktionen. So folgten 2014 in „Who Am I“ eine Rolle neben Elias M’Barek, und in Babylon Berlin eine Rolle über 35 Folgen. In Hell muss sie sich gegen ihre Begleiter durchsetzen und wird schließlich zum Retter ihrer Schwester und zum Alptraum der Räuberbande.
Stipe Erceg tritt als Einzelgänger Tom auf. Nachdem er zuerst die Gruppe ausrauben wollte, schließt er sich ihr an, wird beim Überfall aber von der Gruppe getrennt. Erceg spielte bereits in „Der Baader Meinhoff Komplex“ mit Herzsprung, davor schon in „Die fetten Jahre sind vorbei“ und zuletzt in mehrere Krimiserien sowie im österreichischen Nachkriegs-Krimi „Hinterland“
Lars Eidinger als Philipp war davor eher ein Seriensternchen. Er spielte zuletzt unter anderem in „Babylon Berlin“ und der Mini-Serie „Kafka“. Für die Rolle des Philipp war er fast ein bisschen zu alt, bringt aber den ausnützigen, etwas unsympathischen Typen gut rüber. Unsympathisch darum, weil er Marie und ihrer Schwester erst einen Platz im Auto angeboten hatte für „gewisse Dienste“ von Marie. Auch lässt er gerne den Anführer raushängen, verhält sich aber wenn’s nötig wäre, feige und opportunistisch.
Lisa Vicaro spielte zuletzt in der Serie „Django“, und ist bekannt durch Spielfilme wie „Schwimmen“ oder „Luna“. Hier spielt sie Leonie, die kleine Schwester von Marie. Manchmal verhält sie sich noch wie ein Kind, obwohl die Welt schon seit drei Jahren am zerfallen ist. Sie wird zur Triebfeder für Maries Charakterwachstum, bleibt selbst aber eher im Schatten.
Jede Rolle hat ihre eigene Motivation für die Geschichte, doch das Zusammenspiel funktioniert manchmal nicht so glatt wie es sollte. Für die meisten Schauspieler war dieses Projekt allerdings das Sprungbrett zu größeren Projekten. Insgesamt liefert der Cast eine gute Leistung, die 7 von 10 Punkten bringt.
Regie
Tim Fehlbaum plante seinen Debütfilm mehrere Jahre und verortete ihn in die damals nicht allzu ferne Zukunft von 2016. Geschickt umgeht er technische Gegenstände, die für 2011 Standard sind, 2016 natürlich veraltet wären. Er legt mehr Augenmerk auf die tote Umwelt, das grelle Licht der erhöhten Sonnenaktivität und das zwielichtige Schattenland, das die einigermaßen erträglichen Nächte dominiert. Wo genau die Handlung zu verorten ist, bleibt ebenfalls offen (gedreht wurde in Bayern).
Nach Hell kam eine kurze Pause von gut fünf Jahren bevor Fehlbaum einen Kurzfilm lieferte, bevor er 2021 den Spielfilm „Tides“, ebenfalls Science-Fiction, nachlegte. Sein aktuelles Projekt – September 5 – erschien 2024. Fehlbaum legt viel Wert darauf sein Skript auszuarbeiten bevor er an die Umsetzung geht. Für diesen Film erhielt er damals prominente Unterstützung in der Form von Produzent Roland Emmerich (Independence Day, Moonfall).
Für einen Erstling eine solide Arbeit, die weitere 7 von 10 Punkten bringt.
Nachbearbeitung
Ist etwas rationales Verhalten zu viel verlangt? Zwar ist es ein alter Schuh, dass sich die Protagonisten in Apokalyptischen und Post-Apokalyptischen Filmen gelegentlich mal so anstellen, dass man sich fragt wie sie so lange überleben konnten. Aber hier setzt die Handlung teilweise die Krone auf die Häupter: zuerst wird Druck gemacht, weil die Umgebung unsicher sein könnte und so weiter, und dann stehen sie eine gefühlte Ewigkeit rum und führen Dialoge auf GZSZ-Niveau.
Grelles Licht, das die aktive Sonne repräsentiert, reduziert die Sicht bei Tage beinahe auf Armlänge, selbst nachts herrscht ein unangenehmes Zwielicht. Die Flora ist verdorrt, die Fauna wurde notgeschlachtet oder ist verendet. Darum ist das Leben nach drei Jahren nur noch an einigen wenigen Orten möglich, sodass Zugang zu Wasser und Frauen sowie Vorräte Geld und Gold ausstechen. Die Gruppe, die Marie und ihre Leute überfällt, hat das verinnerlicht: sie suchen nach Frauen um die eigene Familie zu erhalten, und Männern um sie zu mästen und in bester Post-Apokalyptischer Manier als Fleischquelle zu nutzen.
Im Bonusmaterial wurden Einspieler, die eindeutig der Promo vorab dienten um Kinos den Film schmackhaft zu machen, verwendet. Die Erzählstimme hört sich allerdings an wie schlechtes ChatGPT und wirkt irgendwie unglaubhaft.
Das Bonusmaterial ist nicht so überzeugend, die Aufmachung des Films dafür gut. Seltsam, dass trotz der Sonne die Leute doch nicht dunkel gebräunt sind und kaum Sonnenbrand haben. 5 von 10 Punkten.
Musik
Also wäre eine Apokalypse nicht schlimm genug, die einzige CD im Auto ist von Nena. Kann es noch schlimmer kommen – Deutschrap vielleicht? Naja, die Musik kommt zu kurz um Punkte zu verdienen, und Nena würde eher in den negativen Bereich führen.
Filmkritk
Fazit
Hell ist irgendwie zu grell, und ein bisschen die Hölle. Aber nicht immer im positiven Sinn. Für einen Erstling ist 6,5 von 10 Punkten bestimmt ein gutes Ergebnis. Doch rund um 2011, als der Film erschien, gab es im Kino einen Überfluss an Endzeitfilmen, was natürlich mit dem nahenden Jahr 2012 und der angekündigten Maya-Apokalypse zu tun hatte. Aber diese ist genauso wenig gekommen wie der durchschlagende Erfolg, den sich Produzent Emmerich wohl erwartet hatte. Er gewann immerhin 10 Preise, doch fast alle bei den German Film Awards – welch Überraschung.