Lange war der Mars filmisch ein Kassengift, das viel Geld kostete und wenig einbrachte: „Mission to Mars“, „Red Planet“, „Ghosts of Mars“, nur um einige Einträge zu nennen. Das änderte sich auf einen Schlag als „Der Marsianer – Rettet Mark Watney“ in die Kinos kam. Sofort erschienen Trittbrettfahrer, die die Welle mitreiten wollten. Mit unterschiedlichem Erfolg…
Story/Inhalt
Auf dem Mars gibt es mittlerweile einen dauerhaften Forschungsposten, unbemannte Versorgungsraketen werden mit einer gewissen Regelmäßigkeit geschickt, und gelegentlich werden auch bemannte Missionen geschickt. Diese Mission ist Nummer 42, unter dem Kommando von Captain Barnett und zwei Missionsspezialisten.
Doch bereits beim Start zeigen sich erste Probleme, die jedoch nicht ausreichen um eine größere Untersuchung zu rechtfertigen. Die Crew hat nur ein kleines Startfenster und bringt das Schiff auf Kurs zum Mars. Allerdings entdecken sie mehrere Stunden nach dem Start den Grund für die Kursabweichungen beim Start: einen blinden Passagier, der im Lebenserhaltungssystem feststeckte. Eine Rückkehr ist jedoch ausgeschlossen, so dass sich die Besatzung mit einem weiteren Passagier in dem ohnehin beengten Raum arrangieren muss. Die Situation spitzt sich zu als das Lebenserhaltungssystem ausfällt und nicht genug Sauerstoff für die gesamte Reise übrig bleibt. Doch wen soll die Crew opfern? Vor allem weil die Vorräte möglicherweise sogar nicht mal für drei Leute reichen.
Die Geschichte ist gut, wenn auch ein Exploit von „Der Marsianer“, der die Last der Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt. Der blinde Passagier Michael tut sein Bestes um ein produktives Mitglied zu sein, doch der Rest… Captain Barnett wurde zwar bei der Entdeckung von Michael verletzt, verhält sich aber ganz und gar nicht wie ein Anführer. Medizinerin Zoe übernimmt viele Aufgaben, die nicht medizinischer Natur sind, während Biologe David, der Sauerstoff und Nahrung in Form von Algen auf dem Mars züchten soll, schlichtweg inkompetent rüberkommt. Auch wenn sich nach 41 erfolgreichen Missionen vielleicht etwas Routine eingeschlichen hat, wirkt es als hätte man drei Varianten von Howard Wolowitz losgeschickt.
Schauspieler
Captain Barnett wird von Toni Colette gespielt. Barnett bespricht wirklich jede kleine Entscheidung mit der Bodenkontrolle, nachdem sie sich entschieden hat, ohne Überprüfung des Startproblems zu starten. Ihr gebrochener Arm schließt sie auch von Außeneinsätze aus, was eigentlich sie zum unproduktivsten Crewmitglied macht (meine Meinung). Toni Colette ist sicher die erfahrenste Schauspielerin des Casts: „The Sixth Sense“, „About A Boy“ oder „Hereditary“ sind ihre erfolgreichsten Einträge zu einer umfangreichen und vom Rollenbild sehr unterschiedlichen Filmographie.
Biologe und Botaniker David wird von Daniel Dae Kim gespielt. Seine Aufgabe ist es, Algen zu züchten, aber als es darauf ankommt, versagt er völlig. Es zeigt sich aber immer wieder, dass er ein einfacher Missionsspezialist ist, der einfach die Chance ergriffen hat, seinen Lebenslauf mit einer Marsmission aufzupolieren. Daniel Dae Kim wird den meisten aus seiner Rolle in „Lost“ ein Begriff sein. Außerdem spielte er in diversen Serien, zuletzt in „Avatar – Herr der Elemente“ und „Pantheon“.
Der unfreiwillig blinde Passagier Michael wird von Shamir Anderson gespielt. Es wird nie geklärt wie er in Kabel verstrickt innerhalb des Lebenserhaltungssystems feststeckt und fast zwei Tage bewusstlos war. Allerdings versucht er nachdem er realisiert hat, dass er für lange Zeit nicht nach Hause kommt, das Beste aus der Situation zu machen. So seltsam es klingt, aber sein Lerneifer macht ihn bald zum Experten für alles, was an Bord zu tun ist. Ihn als Ballast zu sehen, könnte der Wahrheit nicht ferner sein. Shamir Anderson spielte in diversen Serien und hatte kleine Nebenrollen, unter anderem in „John Wick 4“.
Der Lead im Cast fällt Anna Kendrick zu. Sie spielt die Medizinerin Zoe, die aufgrund des gebrochenen Armes von Captain Barnett viele Führungsaufgaben übernimmt. Ihre ärztliche Empathie macht es ihr allerdings mehrmals unmöglich schwierige Entscheidungen zu treffen, und da sie nur ein Missionsspezialist ist, sind längere Außenmission oder Reparaturen eine große Herausforderung. Gleichzeitig verhält sie sich oft äußerst fahrlässig, zum Beispiel, wenn sie der Aussicht halber ohne Absprache mit dem Captain die Strahlungsschilde öffnet. Und das nicht nur einmal… wie fahrlässig kann man eigentlich sein!
Anna Kendrick wurde vor allem durch die „Pitch Perfect“-Filme, ihre Rolle bei „Trolls“ und in der „Twilight“-Saga bekannt.
Regie
Joe Penna führte nur in Serien oder bei Kurzfilmen Regie, bevor er 2018 mit „Arctic“ seinen ersten Langfilm realisierte. In „Arctic“ muss sich Mads Mikkelsen nach einem Hubschrauberabsturz zurück in die Zivilisation kämpfen. Quasi ein Tenor, den Penna in diesem Film erneut aufgriff. Allerdings mit weniger Erfolg, wie in der Nachbearbeitung ausführlich erklärt werden wird. Die sonstige Umsetzung ist gut umgesetzt, die Enge des Schiffs wird gut eingefangen. Doch im wissenschaftlichen Aspekt hätte die Produktion dringend Beratung gebraucht – und ich bin wirklich kein Physiker.
Nachbearbeitung
Der Weltraum ist eine verdammte Hure, denn es gelten ganz andere Regeln wie auf der Erde. Und davon werden hier wirklich viele mit Füßen getreten.
Newtons Gesetze sind recht einfach was Raumfahrt angeht: vereinfacht gesagt genügt ein Schubs in eine Richtung. Solange keine andere Kraft auf das beschleunigte Objekt einwirkt, zum Beispiel die Schwerkraft eines Planeten, würde das Schiff mit konstanter Geschwindigkeit ewig weiterfliegen. Darum ist das ganze Gerede, dass nicht mehr umgedreht werden kann, einfach nur dumm. Klar, es würde Treibstoff kosten und die Mission würde ihr Ziel nicht erreichen. Aber nach wenigen Stunden Flug wäre es wohl die einfachere Lösung, man ist schließlich nicht mal am Mond vorbei.
Da schlägt Newton erneut zu: denn das Schiff hat kein Rotationsmodul, aber es herrscht Schwerkraft: Michael fällt auf den Arm von Captain Barnett und bricht diesen. In Schwerelosigkeit wäre das nicht passiert. Künstliche Schwerkraft würde enorme Energiemengen benötigen, die selbst mit diesen riesigen Solarpanelen nicht generiert werden könnte. Aber dies ist wohl den Kosten geschuldet.
Wäre da nicht Strike 3 was die Schwerkraft angeht: um Sauerstoff aus dem Konverter am Ende des Schiffs zu holen „seilen“ sich Zoe und David ab. Also herrscht außerhalb des Schiffs doch auch Schwerkraft, weil wie sonst kann Zoe ohne Führungsleine den Behälter (von ihrer Perspektive aus) nach unten abseilen? Und da wir gerade auf der Hülle des Schiffs unterwegs sind ein weiterer gravierender Fehler: denn die Schritte auf der Hülle machen Geräusche! Dabei wissen wir schon seit Alien: im Weltall hört dich keiner schreien. Oder Gehen.
Als würde diese Fehlerliste nicht schon für ein „Nicht Genügend“ reichen, bleibt das Problem der Nahrungsversorgung. Selbst mit einer Rationierung würden die drei Besatzungsmitglieder ihre Kraftreserven gefährden – ein Aufenthalt im Weltraum braucht bekanntlich etwa ähnlich viel Energie pro Tag wie ein Hochgebirgsbergsteiger. Das größere Problem würde aber das Wasser darstellen. Davon gibt es schlichtweg nicht genug an Bord für vier Personen, und wie David mehrfach betont auch keine Chance neues zu schaffen. Und selbst wenn man durch eine Wunder eine Möglichkeit fände, David erhebt Anspruch darauf um es für seine Algenzucht einzusetzen.
Und dann ist da noch der große Sonnensturm, der das Finale des Films einläutet. Auf halbem Weg zum Mars bekommt die Crew eine Vorwarnung von 20 Minuten um die Strahlungsschilde zu schließen und zu hoffen, dass sie halten. Nur kommt so ein Sonnensturmausbruch niemals wie hier aus dem Nichts. Er kündigt sich sehr lange vorher an.
Meine Physikkenntnisse sind wirklich nicht groß, aber diese Fehlerliste ist eine Beleidigung für jeden Physiker und dementsprechend auch im Ergebnis abgestraft. Nicht Genügend ist bei dieser Liste ein Lob.
Musik
Im Film kommt nur ein Lied vor, „India“ von John Coltrane. Darum keine Punkte
Filmkritk
Fazit
Obwohl grundsätzlich eine gute Geschichte hinter dem Film steckt, bringen die ganzen Fehler das Gesamtbild rasant ins Trudeln. Was ein spannendes Kammerspiel mit einer ethischen Komponente hätte werden können, verkommt zu einem wissenschaftlich vollkommen unzulänglich recherchierten Streifen, der den Erwartungen nicht gerecht werden kann. Bei 10 Millionen Dollar Budget hätte man wohl besser ein paar Physiker angeheuert, die den Film zumindest wissenschaftlich sattelfest machen.