Dracula ist eine so beliebte Geschichte, dass der blutsaugende Adelige in mehr Filmen vorkam als ihm lieb sein kann. Das liegt wohl daran, dass die meisten dieser Filme so schlecht sind, dass der Vampir vor Scham liebend gern in den Sonnenschein spazieren würde. So kommt nämlich sein entfernter Cousin, Graf Orlok, zu Tode.
Story/Inhalt
Vorab: Nosferatu ist eine freie Interpretation der Geschichte Dracula von Bram Stoker. Stokers Witwe klagte die deutsche Verfilmung sogar auf Unterlassung, als die Stummfilmvariante erschien.
Der Immobilienvertreter Thomas Hutter erhält von seinem Vorgesetzten den Auftrag nach Transsylvanien zu reisen, um dort den mysteriösen Graf Orlok zu treffen. Dieser plant ein Anwesen zu erstehen. Doch kaum ist Hutter angekommen, mehren sich die Anzeichen, dass Orlok nichts Gutes im Sinne hat und alles andere als menschlich ist. Orlok lässt Hutter schließlich in seinem Schloss zurück, aus dem Hutter mehr tot als lebendig fliehen kann.
Inzwischen wird seine Frau Ellen von Visionen von Orlok gepeinigt. Als Orlok den Hafen erreicht, verbreiten sich sofort Pestratten in der Stadt. Hutter, in einem Kloster gesund gepflegt, kehrt kurz darauf ebenfalls zurück und versucht den Verfall seiner Frau zu verhindern, indem er sich Hilfe von dem in Ungnade gefallenen Wissenschaftler und Okkultisten Professor von Franz holt. Doch während sie nach einem Weg suchen, Orlok aufzuhalten, verfällt Ellen immer mehr dem Untoten und kommt zu dem Schluss, dass sie sich opfern muss, um Orlok aufzuhalten.
Auch wenn es eine freie Interpretation von Dracula ist, im Großen und Ganzen wird die Story beibehalten. Und der Klassiker der Gothic-Literatur ist eine Empfehlung, auch wenn die meisten seiner filmischen Umsetzungen zu Wünschen übriglassen.
Schauspieler
Erneut darf Nicholas Hoult gegen einen Vampir antreten – doch nicht wie in Renfield als Diener, sondern dieses Mal als Hutter (im Original Jonathan Harker). Eine gute Leistung des männlichen Hauptdarstellers. Zunächst ein ergebener Diener seines Herrn, beschließt er, sich dem Untoten zu widersetzen, anstatt sich seinem Schicksal zu ergeben und im Schloss zu verrotten. Zusammen mit seinem Freund Harding und Professor von Franz unternimmt er alles um Orlok aufzuhalten, egal was von Franz von ihm verlangt und wie zuwider ihm die Aufgaben und Mittel sind.
Lily-Rose Depp (Silent Night – Und morgen bist du tot), als Ellen Hutter, spielt die liebende Ehefrau, als Sinnbild der Frau des späten 19. Jahrhunderts. Sie verfällt den Visionen von Orlok und leidet stumm Höllenqualen, vor allem als Professor von Franz seine Mittel und Wege an ihr testet. Bereit sich für ihre Stadt, und das Wohl ihres Mannes, zu opfern, bringt Depp eine ebenso überragende Leistung wie Nicholas Hoult.
Orlok wird von Bill Skarsgard gespielt. Seit „IT Chapter 1 +2“ immer wieder spezialisiert auf Monster, schafft es Skarsgard der Leistung des großartigen Max Schreck Tribut zu stiften und der Rolle doch auch eine eigene Marke zu geben.
Aaron Taylor-Johnson (Kraven The Hunter, Bullet Train) spielt Harding, den besten Freund von Hutter. Seine Familie leidet ebenso unter dem Einfluss von Orlok, sodass er nach anfänglichen Zweifeln und einiger Missgunst gegen Ellen, am Ende zu allem bereit ist, um den Untoten zur Strecke zu bringen.
Zuletzt spielt noch Willem Dafoe Professor von Franz, die Interpretation der Rolle des Abraham Van Helsing. Im Film „Shadow of the Vampire“ spielte Dafoe bereits einmal selbst Nosferatu (als Max Schreck), und scheint seither kaum gealtert zu sein… steckt da etwa ein bisschen Vampir in dem Schauspieler, der unter anderem als Green Goblin in Spiderman auftrat? Weiters: What happened to Monday, John Wick. Außerdem ging er in „Daybreakers“ bereits auf Vampirjagd. Auf jeden Fall steckt etwas Wissenschaftler, und vielleicht auch Vampir, in dem Schauspieler.
Regie
Robert Eggers landete mit „The Witch“ einen Überraschungshit und lieferte danach mit „Der Leuchtturm“ und „The Northman“ zwei gute, aber nicht übermäßig finanziell erfolgreiche Filme. Gutes filmisches Handwerk und Konstanz zeichnen den Regisseur aus. Willem Dafoe gehört zu seinem Kerncast, durfte der Charakterschauspieler schließlich in den letzten drei Projekten von Eggers ran.
Bei Nosferatu versucht er das körnige Bild des klassischen Schwarzweißfilms einzufangen und mit entsprechenden Filtern zu imitieren. Das gibt vor allem den Bildern in der Nacht, oder dem Land von Transsylvanien, einen besonderen Anstrich.
Allerdings zieht sich die Story manchmal zäh dahin, und einige Elemente der Dracula-Geschichte (und auch des Original-Nosferatu) fallen weg. Trotzdem ist die Laufzeit fast etwas zu lang. Vor allem wenn der Extended Cut weitere 4 Minuten Material enthalten soll.
Nachbearbeitung
Eggers setzt Kamera und Beleuchtung geschickt ein, um eine düstere Atmosphäre zu schaffen, die dem Stummfilm-Original in der Aufmachung Tribut zollt. Weitere gute Arbeit leistet Bill Skarsgard bei der Verwandlung von Orlok, der zu Beginn abgemagert und furchteinflößend langsam auf dem Weg der Heilung ist. Doch selbst mit einer ganzen ausgesaugten Schiffsbesatzung, und einigen Schlückchen von Ellen, ist der Untote noch weit davon entfernt wieder eine normale, unauffällige Gestalt anzunehmen. Vor allem vor der Abreise aus dem Schloss, als Hutter rumstöbert und Orlok zwingt vorzeitig aus dem Sarg zu steigen, tritt Orlok in sprichwörtlich seiner ganzen Pracht zu Tage… Vampire sind anscheinend Nacktschläfer, und werden ebenfalls ungern vorzeitig geweckt.
Musik
Traditionelle Lieder, und Instrumentalnummern. Als Tribut an den Stummfilm fällt die Musik eben etwas dünn aus.
Filmkritk
Fazit
Nosferatu ist ein solider Film für Cineasten. Das Original mit Max Schreck ist ein würdiger Vorgänger, der hier einem handwerklich gut gemachten und durchdachten Film Pate steht. Doch Erzählstil, Geschwindigkeit und Umsetzung erfüllen wohl mehrheitlich nicht die Erwartung des heutigen Publikums. Mir persönlich hat er gefallen, und die Popcorn-Box in Sargform hat einen Ehrenplatz im Bücherregal (auch wenn das Popcorn schon lange den Weg ins Jenseits angetreten hat). Listen to them, Children of the Night – what beautiful music they make! Gut, das war Bela Lugosi als Dracula und nicht Nosferatu.