Einst galt Francis Ford Coppola als Genie seines Handwerks, und selbst glaubte er mit diesem Film einen Meilenstein der Filmgeschichte zu schaffen. Allerdings verwandelte sich sein Monumentalfilm schnell zu einem Alptraum und Millionengrab. Ein kritischer Blick auf Amerika, der sich am besten mit einem Zitat von Homer Simpson zusammenfassen lässt: „Amerika kann nicht untergehen – wir sind wie das Alte Rom!“
Story/Inhalt
Was wäre wenn Rom niemals untergegangen wäre und das römische System noch heute die Welt regieren würde? Doch nun ist der Nabel der Welt eben nicht mehr Rom, sondern ein postmodernes New Rome anstelle des realen New York.
Der junge Architekt Cesar Catilina entwickelte nicht nur einen modernen, günstigen und effizienten Baustoff namens Megalon, sondern auch eine Vision für die Stadt, die er Megalopolis nennt. Finanziell gestützt von seinem Onkel Crassus III muss er sich doch viel Widerstand stellen, allen voran dem Bürgermeister der Stadt, Franklyn Cicero, ein Oberstaatsanwalt und leitender Ermittler im mysteriösen Todesfall von Cesars erster Frau. So ist es ein Tiefschlag für Cicero als ausgerechnet seine Tochter Julia sich Cesar zuwendet und sein Vorhaben sogar unterstützt. Als ein sowjetischer Satellit auf die Stadt stürzt und einen großen Teil zerstört, wittert Cesar eine Chance seine Vision Realität werden zu lassen. Und Cicero sieht eine Chance seinen Kontrahenten zu entzaubern und zu zerstören. Allerdings brodelt der Zorn des Pöbels in der Stadt hoch und droht die Vision von Cesar und das Vermächtnis von Cicero zu verschlingen.
Eine vielschichtige Erzählung, die viel mit Metaphern, Bildern und der Imagination arbeitet. Wer sich mit römischer Geschichte auskennt und dem aktuellem politischen Geschehen folgt, erkennt überraschend viele Parallelen und Ähnlichkeiten, vor allem was das Lenken von Meinungen durch Bestechung, Fehlinformation und Systemausnutzung betrifft. Die Geschichte für sich gesehen ist top, doch verlangt und will zu viel, was Nebenhandlungen oder Cesars Fähigkeit die Zeit anzuhalten betrifft. Vor allem diese Fähigkeit, die eher in einen Science-Fiction-Film passt, stört hier eher.
Schauspieler
Adam Driver liefert erneut eine überragende Leistung ab als Architekt Cesar, in einem Film, den kaum jemand sieht. Wie schon in „Silence“ an der Seite von Andrew Garfield geht hier eine ausgezeichnete Leistung verloren. Driver wird den meisten für seine Rolle in Star Wars in Erinnerung bleiben, wo er nicht gerade glänzen konnte, während seine guten Performances kaum gesehen verpuffen.
Sein Gegenspieler in Form von Cicero wird von Giancarlo Esposito (MaxXxine, Abigail) gespielt. Er ist ein ebenbürtiger Kontrahent für Adam Driver und gemeinsam überstrahlen sie auf dem Screen selbst den gestoppten Sonnenaufgang über Megalopolis. Esposito bringt sowohl den liebenden, aber auch strengen Vater rüber, um in der nächsten Szene den verschlagenen, an politische Grabenkämpfe gewohnten Karrieristen zu mimen.
Julia Cicero wechselt zum Entsetzen ihrer Familie die Seite und beginnt Cesar zu unterstützen, weil sie an seine Vision glaubt, und selbst über die Macht verfügt, die Zeit zu stoppen. Gemeinsam mit Cesar will sie ein besseres New Rome schaffen, auch wenn das bedeutet, sich gegen ihren Vater zu stellen. Gespielt von Natalie Emmanuel (Game of Thrones, The Maze-Runners) ergänzt sie das Machtdreieck der Hauptrollen.
Die Nebenrollen sind nicht weniger prominent besetzt:
Die kleinste Nummer ist hier noch Aubrey Plaza (Operation Fortune), die die Reporterin Wow Platinum spielt. Zuerst die Freundin und ergebener Fan von Cesar wendet sie sich seinem reichen Onkel zu und glaubt so zur starken Frau in der Familie zu werden, erlernt sogar das Bankenhandwerk und spinnt ein Netz von Verbindungen und Gefälligkeiten. Mit ihrem wie Diamant geschliffenen Körper erschleicht sie sich nicht nur den Platz an Cassius III Seite, sondern auch Gefälligkeiten und Verbindlichkeiten ihrer Geschäftspartner, inklusive ihrem Neffen Clodio Pulcher.
Clodio Pulcher wird von Shia LaBeof (Fury – Herz aus Stahl, Transformers) gespielt, und ist das schwarze Schaf in der Familie. Ein arroganter, korrupter Lebemann ohne Moral und Rückgrat. Als er erkennt, dass Cassius ihn aus dem Familienunternehmen ausschließen will, weil er ihn schlicht für nutzlos hält, entdeckt Clodio den Populismus für sich und macht sich zum Sprachrohr der Plebejer.
Das Familienoberhaupt ist Hamilton Crassus III, gespielt von Jon Voight (Ray Donovan, Anaconda). Durch Bankgeschäfte reich geworden, versucht er das Vermögen der Familie zusammenzuhalten. Einerseits unterstützt er Cesar, achtet ihn für die Erfindung des Baustoffs Megalon, andererseits beneidet er ihn auch dafür und ist deshalb nicht bedingungslos bereit, Geld für die Vision von Megalopolis locker zu machen. Dass er Wow Platinum heiratet, was für diese eine Art Rache an Cesar ist, und ihr gleichzeitig den opulenten Lebensstil ermöglichen soll, den die Reporterin immer für sich wollte, belastet die Beziehung zu Cesar nur noch mehr. Außerdem verachtet er Clodio bis aufs Mark für seinen fehlenden Beitrag zur Gesellschaft, und als dieser sich für die Plebejer einsetzt dafür, dass er außerhalb seiner angeborenen Klasse agiert.
Laurence Fishburne (Matrix-Franchise, John Wick-Franchise) spielt den Fahrer und Bodyguard von Cesar, Rundi Romaine. Er fungiert auch als Erzähler, dient der Familie seit Jahren und war deshalb vom Aufstieg des jungen Cesar bis zum Ende dabei, sowohl als Beobachter, Berater, Freund und Mahner.
Außerdem haben noch Dustin Hoffman, Talia Shire, Jason Schwartzman und Kathryn Hunter Nebenrollen.
Regie
Gute Story, guter Cast. Was ist schiefgegangen? Nun: die Regie.
Francis Ford Coppola zeichnet zwar verantwortlich für Klassiker wie „Apocalypse Now“ oder „Der Pate“, sowie erfolgreiche Filme wie „Dracula“. Doch danach ging es abwärts, bei „Supernova“ ließ er etwa seine Regiearbeit verbergen, und Filme wie „Twixt – Virginias Geheimnis“ floppten auf ganzer Linie.
Für Megalopolis verpfändete er sogar sein Weingut und setzte alles auf eine Karte: handwerklich und erzählerisch. Dieser All-In scheitert allerdings an der Darstellung der Geschichte. Die Verknüpfungen und Handlungen sind teilweise zu komplex und verwirrend. Die Arbeit mit angedeuteten Bildern und Metaphern sind zwar gut gedacht, und filmisch umgesetzt – und gehen dann in reizüberfluteten bunten Bildern unter oder sind zu komplex um im Augenblick wahrgenommen zu werden.
Selbst wenn Rom nie untergegangen ist, den Grundstein für Amerika legte, das Land in die Unabhängigkeit entließ und dadurch den Kalten Krieg gegen die offensichtlich rückständigere Sowjetunion gewinnen konnte, ist dieses neue Rom nur eine ausgehöhlte Hülle, in der Justitia übermüdet Schwert und Waage ablegt. Währenddessen wird bei einer großen Show die Jungfräulichkeit der Nation vom allmächtigen Dollar an den Höchstbietenden verhökert.
Ford Coppola wollte mit diesem Film zu viele Themen ansprechen und verarbeiten und verliert dabei den Fokus darauf was er eigentlich ausdrücken will. Außerdem, im Stile des alten Mannes, ist er über jede Kritik erhaben.
Nachbearbeitung
Die Bildgewalt ist teilweise selbst für Filmveteranen überfordernd. Handwerklich werden neben den üblichen Verfahren auch Splitscreens, um zeitgleich parallele Handlungen zu zeigen, Picture-in-Picture und Perspektivwechsel in schneller Folge eingesetzt.
Dazu kommen Aufmachungen, die die aktuelle Lage aufzeigen. Schon in der Eröffnung tritt Wow Platinum in bester Kritik unserer Medien auf und will mit ihrer Sendung Stimmung für ihren Freund Cesar machen. Danach diskutieren Architekt Cesar und Bürgermeister Cicero wie bei einer Senatsdiskussion über einem Modell der Stadt ihre Visionen für die Zukunft. Während Cesar seine Utopie, basierend auf Megalon, propagiert, vertritt Cicero den konservativen Bauansatz, und argumentiert mit der günstigen Machbarkeit, den damit verbundenen Arbeitsplätze und leistbarem Wohnen – wobei beide Diskussionspartner in ihren besseren Wohnungen sich einen Dreck um den einfachen Plebejer scheren.
Auch der Besuch des Circus, mit Wagenrennen, Gladiatorenkämpfen und der abschließenden Versteigerin einer Vestalin, die rein gar nicht an Taylor Swift erinnert, ist im nächsten Akt die Grundlage um den Unterschied zwischen der abgehobenen Aristokratie und dem einfachen Volk zu zeigen. Hoch über dem gemeinen Volk trifft man über Mittelmännern Absprachen, bei denen die Positionen nicht mehr so klar getrennt sind wie zuvor. So ein öffentlicher Auftritt ist aber gleichzeitig eine gute Plattform um einen unliebsamen Kontrahenten in aller Öffentlichkeit zu vernichten, wenn man nur genug Dreck finden konnte.
Es gibt noch viel mehr Andeutungen und Metaphern. Die Nachricht ist aber am Ende immer dieselbe: Neu-Rom ist am Ende, doch solange das Volk Brot und Spiele hat, jubelt es der Aristokratie weiter zu.
Musik
Die Musik ist eine Mischung als Instrumental-Tunes, die etwa den Einmarsch der Gladiatoren einleiten, für Neu-Rom zeitgenössische Musik in Clubs und Bars (je nach Gusto und Klasse der Besucher) und einigen Opern. Eine passende Ergänzung, die das Thema der Bilder einfängt und unterstreicht.
Filmkritk
Fazit
Warum ist Megalopolis nicht durchgefallen, obwohl die Geschichte und der Cast gut, die Aufmachung passt und die Musik alles abrundet? Die ganze Schuld bei der Regie abzuladen wäre zu einfach. Der Film ist schlicht zur falschen Zeit erschienen, vom falschen Mann umgesetzt worden, und seine Abneigung auf Kritik einzugehen ist wohl der letzte Sargnagel um diesen Film medial zu zerreißen. Obwohl es im Titel eingearbeitet ist, stellt Megalopolis eine Fabel dar. Per Definition: „ehrhafte, oft satirische Erzählung in Vers oder Prosa, in der Tiere nach menschlichen Verhaltensweisen handeln und in der eine allgemein anerkannte Wahrheit, eine praktische Lebensweisheit o. Ä. veranschaulicht wird“. Doch das zu erkennen und zu verarbeiten scheint heute nicht mehr möglich zu sein, beziehungsweise angenommen zu werden. Was Schade ist: denn hinter der Fassade hat der Film bildgewaltig viel Aussage. Doch da schon vor dem offiziellen Release die Kritiken schlecht waren, und das Verhalten von Ford Coppola den Rest dazu taten, gingen viele Zuschauer vorsichtig verwirrt gar nicht erst hin. Ich habe es gewagt und war nicht enttäuscht: schließlich kommt in Kürze ein Film in die Kinos, der eine ähnliche Geschichte, aber mit viel mehr Action erzählt. Und wenn die Kritiken für „Gladiator II“ auch schon einigen Kinos Bauchweh bescheren, glaube ich, dass die mehr actionlastige Umsetzung besser ankommen wird. Darum mein persönliches Fazit, so böse es klingen mag: der durchschnittliche Zuschauer ist durch Superheldenfilme und „Fack Yu Göhte“ schlicht zu dumm um einen Metapher zu erkennen, selbst wenn sie ihm auf einer riesigen Leinwand projiziert wird. Die Chantals und Kevins gehen erst gar nicht in solche Filme, und wenn sie sich doch reinverirren, verstehen sie nicht, was sie sehen. Außerdem, um zum einleitenden Zitat von Homer Simpson zu kommen: der Amerikaner will nicht vorgeführt bekommen, dass er gerade an derselben Klippe steht wie einst das alte Rom: wenn die Politik versagt, weil die Volksvertreter entweder reißerischer Populisten oder korrupte Bauern in einem größeren Spiel von alten, teils dementen Männern und Lobbys sind. Justitia ist erschöpft, Lady Liberty gibt auf, und der allmächtige Dollar ruft zusammen mit Bacchus zur Orgie – Brot und Spiele, ihr Schafe!