Das Nibelungenlied ist einer der drei großen literarischen Epen der westlichen Welt. Leider gab es bis jetzt keine gute filmische moderne Umsetzung – entweder sind sie mindestens 30 Jahre alt oder waren TV-Produktionen mit geringem Budget. Auch lief es hier bei genauerer Betrachtung nicht anders, aber Hagen fand wenigstens den Weg in die Kinos.
Story/Inhalt
Hagen von Tronje, seines Zeichens Waffenmeister der Stadt Worms, ist in seiner Ehre gekränkt als der König bei einem Überfall der Hunnen getötet wird. Der Nachfolger, Gunter, verfügt weder über die Größe seines Vaters noch den Willen Worms zu regieren. Da fällt er zu gerne auf die Schmeicheleien und Kriegspläne des jungen Siegfried von Xanten herein, der nachdem er einen Drachen erschlagen hat und in seinem Blut badete, als unverwundbar gilt. Doch um der Bedrohung durch die Hunnen Herr zu werden, braucht Worms auch einen mächtigen Verbündeten, und da fällt Gunters Blick auf das Reisen der Isenländer mit ihrer Königin Brunhild. Der Haken an der Sache: die Walküre heiratet nur den Mann, der sie im Kampf besiegen kann – und daran ist bisher jeder Brautwerber gescheitert. Doch mit Siegfried an seiner Seite, und mit einer List, will Gunter seine Regentschaft stärken. Waffenmeister Hagen traut der Hybris von Siegfried jedoch nicht, und neidet dem Drachentöter die Ehe mit Kriemhild, in die er selbst verliebt ist. Als Siegfried, der einst auch mit Brunhild angebandelt hatte, Gunter mit der Walküre während des Feldzugs gegen die Hunnen betrügt, sieht er genug Gründe um den Drachentöter zu erschlagen.
Das größte deutsche Epos, und doch nur umgesetzt nach dem Roman von Fantasy-Autor Wolfgang Hohlbein aus dem Jahre 1986. Zu sehr wird versucht den Hype rund um Game of Thrones/House of the Dragon zu nutzen und zu kopieren, doch das gelingt mehr schlecht als recht. Gedankt dem bisher schlechten Kinojahr 2024 ist ein durchschnittlicher Beitrag dann doch besser zu bewerten. Mehr dazu in der Nachbearbeitung.
Schauspieler
Hagen wird von Gijs Naber gespielt, einem niederländische TV-Schauspieler. Er erfüllt zwar die Erwartungen an einen mittelalterlichen Waffenmeister in Körperbau und Auftreten und funktioniert auch als Sympathieträger, aber es ist den anderen Darstellern zu verdanken, dass er sicherlich eine der besten Leistungen abliefert.
Jannis Niewöhner (Narziss und Goldmund, Jugend ohne Gott) spielt Siegfried von Xanten. Als Vorbild diente hier wohl Brad Pitt als Achilles in Troja – arrogant, oberflächlich und bereit für den Ruhm zu sterben und seine Begleiter dabei mit in die Hölle zu nehmen. Bestimmt der Erzählweise des Films geschuldet, ist er das perfekte Gegengewicht zu Nabers Hagen. Allerdings gilt auch hier, dass der restliche Cast die beiden Hauptdarsteller besser wirken lässt.
Dominic Marcus Singer (Der Pass) als König Gunter enttäuscht auf ganzer Linie, oder bringt andererseits den schwachen König perfekt rüber? Nein, Singer verspielt die Rolle komplett, ist farblos und bereits eine Minute nach dem Abspann vergessen. Ja, das spiegelt vielleicht die Rolle von Gunter wider, ist für die Vita aber schlecht.
Die weiblichen Rollen, die mehrheitlich als reines Love-Interest dienen, spielen Rosalinde Mynster (Walküren-Königin Krimhild) und Lilja van der Zwaag (Brunhild). Dass sie beide ebenfalls reine TV-Schauspielerinnen sind, ist deutlich sichtbar. Wobei Mynster zumindest in dem Duell um ihre Hand glänzen kann während die Rolle der Brunhild schlichtweg dem Frauenbild des katholischen Mittelalters dienen soll, was aber nicht den Tenor des Nibelungenlieds als Epos trifft.
Regie
Für die Regie zeichnen sich zwei TV-Veteranen verantwortlich. Cyrill Boss macht erste Schritt 2006 bei der Pro7-Märchenstunde und lieferte später Filme wie Jerry Cotton oder war an der Serie „Der Pass“ beteiligt. In diesen Projekten arbeitete er mit Philipp Stennart zusammen, wobei sie sich immer den Credit für Regie und Drehbuch teilten.
Die Filme „Neues vom Wixxer“ und „Jerry Cotton“ waren eher mäßig erfolgreich, die Umsetzung der Jugendromane rund um die „Vorstadtkrokodile“ beschränkten sich auf nur einen Film (statt einer Serie, die alle Romane umfassen sollten). „Der Pass“ war dagegen ein überraschender Achtungserfolg, der ihnen die Tür zu diesem Projekt öffnete.
Die Romanvorlage von Wolfgang Hohlbein ist entsprechend dem Buch verarbeitet, doch wird zu sehr versucht „Game of Thrones“ zu kopieren. Die Intrigen sind zahnlos und vorhersehbar, viele Szenenbilder könnten aus Westeros oder anderen Fantasy-Franchise stammen. Mäßig geklaut mit dem Ansatz etwas Retroemotion zu wecken.
Die Dialoge sind einem TV-Film entsprechend teilweise hanebüchen und emotionslos. Für einen Langfilm einfach zu wenig, doch erneut muss ich auf die Nachbearbeitung verweisen.
Nachbearbeitung
Zuerst muss nicht erwähnt werden, dass der Film als Eintritt für einen TV-Sechsteiler, der 2025 auf dem Streaming-Portal von RTL+ erscheint, dienen soll. Dieser Film ist quasi ein Zusammenschnitt der sechs Folgen.
Und genau daran hakt sich vieles: einen Sechsteiler in einem Film zu pressen ist nur möglich, wenn auf Charakterentwicklung oder Hintergründe verzichtet wird. Und genau das passiert bei diesem Film mehrfach. Große Sprünge in der Zeit führen zu fehlenden Zusammenhängen oder Handlungslücken.
Das CGI ist ebenfalls auf TV-Niveau, wobei der Drache nur in einer Rückblende auftaucht, und da bereits erschlagen wurde. Vielleicht schärft da die entsprechende Folge nach, dürfte jedoch wohl dann nur als „deutsche“ Kopie von „House of the Dragon“ abschneiden. Nicht zu Letzt erinnern andere Szenenbilder und Aufmachungen an andere bekannte Fantasy-Filme. So sieht die Ausrüstung von Siegfrieds Leuten mit den drei zackigen I’s auf dem Schild verdächtig nach Ausrüstung der Uruk-Hai aus, und Island mit dem Vulkantempel der Walküren könnte auch der Schicksalsberg sein. Wird der Drache im Sechsteiler jetzt noch von Benedict Cumberbatch gesprochen, ist der Ring wohl nicht weit.
Der Film leidet jedoch vor allem am Ursprungsmaterial. Jedoch ist hier nicht das Epos gemeint, das zu den drei großen westlichen Epen (Das Nibelungenlied, die Ilias/Odyssee, Beowulf) gehört, sondern der Jugendroman von Wolfgang Hohlbein. Bereits 1986 erschienen, ist es eine eher fade Kopie mit Fokus auf Hagen statt Siegfried vom deutschen Autor. Ich will hier sagen, dass ich früher seine Romane fast alle gelesen habe, bis ich dem Erzählstil mit „Anders“ entwachsen bin. „Hagen von Tronje“ war aber auf jeden Fall eines der Bücher, das keinen Eindruck hinterlassen hat.
Für einen TV-Mehrteiler alles vernachlässigbare Makel, darum eine doch gnädige Note für die Aufmachung. Hoffen wir auf das Beste für den Release der Folgen auf RTL+.
Musik
Zur Musik blieb mir nichts Nachhaltiges in Erinnerung. Die Fantasy-üblichen orchestralen Hymnen erfüllen ihre Pflicht, doch gäbe es genug Mittelalter-Bands, die vielleicht für ein paar Münzen nur zu gerne zur Untermalung aufgespielt hätten. Barden gibt es ja genug: Toss a Coin to your Witcher…
Filmkritk
Fazit
Die Geschichte aus Sicht des epischen Verräters zu erzählen, ist ein interessanter Ansatz und funktioniert. Doch die Tatsache, dass es eben TV-Schauspieler und TV-Regisseure sind, schmälert das Ergebnis. Mit 139 Minuten Laufzeit für einen Zusammenschnitt aus sechs Folgen bleibt wohl vorerst einiges nicht erzählt, was die Note noch verbessern könnte. Mit 1,2 Millionen Euro Einspielergebnis kann Hagen trotzdem als Erfolg angesehen werden, auch wenn sie offensichtlichen Anleihen und das TV-Niveau einen bitteren Geschmack (leider nicht nach Drachenblut) hinterlassen. Und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass mich gleich ein Speer von hinter niederstrecken wird. Wohl geworfen von Wolfgang Hohlbein… hoffentlich zu den Klängen von Schandmaul, die ja mehrere Lieder dem Nibelungenlied gewidmet haben.