Spätestens seit dem Überraschungs-Erfolg von „Heredetary“ aus dem Hause A24, scheint die Welle der Filme welche sich dem sogenannten „Elevated Horror“ verschreiben, nicht mehr abzureisen. Statt überflüssigen Jumpscares und groteskem Gore wird hierbei auf verstörende Drehbücher und clevere Metaphern gesetzt. Nicht erst seit „The Babadook“ oder „Black Swan“ lässt sich ein Trend erkennen, mentale Krankheiten in Form von monsterhaften Gestalten zu personifizieren.
Auf den ersten Blick scheint „You Are Not My Mother“ diesem Beispiel zu folgen und konzentriert sich auf ein isoliertes Teenager-Mädchen, das von den unvorhersehbaren Rhythmen der Geisteskrankheit ihrer Mutter heimgesucht wird. Aber dieses stimmungsvolle Debüt der Regisseurin Kate Dolan handelt nicht mit gewohnter Symbolik oder einfachen Erklärungen: Es lässt mythische und geistbasierte Schrecken nebeneinander existieren, sodass der Zuseherschaft jede Menge Spielraum für eigene Interpretationen bleibt.
Story – The Devil is in the Title
Char (Hazel Doupe) lebt ein einsames, bedrückendes Leben und wohnt mit ihrer psychisch kranken Mutter Angela (Carolyn Bracken) und ihrer Großmutter (Ingrid Craig) in einem Vorort von Dublin. Chars Mutter kommt nie aus dem Bett, die Lieblosigkeit ihrer Oma macht dem Mädchen zu schaffen und von ihren Klassenkolleginnen wird sie sowohl psychisch als auch körperlich misshandelt. Als Angela eines Tages gezwungen ist, Char zur Schule zu fahren, verursacht sie beinahe einen tödlichen Autounfall. Noch unter Schock stehend muss die Fahrerin zusehen, wie ihre Tochter, fassungslos über die Unachtsamkeit ihrer Mutter, aus dem Wagen steigt und allein davonmarschiert.
Als Angela daraufhin verschwindet, scheint das keines der Familienmitglieder zu überraschen. Umso erschütterter ist Char, als ihre Mutter am nächsten Tag bestens gelaunt zurückkehrt und plötzlich die Pflichten übernimmt, die sie lange zuvor aufgegeben hatte. Befindet sie sich in einem verspäteten Aufschwung oder ist sie etwa gar nicht mehr sie selbst? Die Antwort auf diese Frage versteckt sich bereits im Titel, wodurch sich die ersten 20 Minuten etwas in die Länge ziehen.
Regie – Vielseitige Anknüpfungspunkte
Aufgrund der übernatürlichen Aspekte, die im Laufe des Films immer klarer ersichtlicher werden, gelingt es Dolan, sich auf eine erfrischende Art großen Themen wie Armut, Klasse und Depressionen zu nähern. In die Geschichte werden Elemente alter Folklore eingewebt, die aber nicht zwingend identifiziert und verstanden werden müssen um die Grundidee einer dunklen Macht zu verstehen, welche diese kleine Familie zu zerstören droht.
Schauspieler – Überzeugend on a Budget
Während bei herkömmlichen Filmen des Horror-Genres oft mit Special-Effects und Makeup fragliche Schauspielleistungen überdeckt werden um nicht auf teure Darsteller setzen zu müssen, ist dies bei dieser Art von Filmen quasi nicht möglich. Die Emotionen, die einzelne Charaktere in Elevated-Horror-Filmen durchleben, sind ein wesentlicher Bestandteil des Grusel-Aspekts. Somit überrascht es, dass trotz der Besetzung von unbekannteren Schauspielerinnen mit wenig bis keiner Vorerfahrung genau dieser emotionale Faktor so einwandfrei zu funktionieren scheint. Allerhöchstens der Darstellerin von Char, Hazel Doupe, könnte man unterstellen, sich zu oft demselben Reh-Blick zu bedienen, um die Gunst ihrer Zuseherschaft zu gewinnen. Da dies aber auch zweifelsfrei gelingt, kann von einer Kritik dieser Art getrost abgesehen werden.
Nachbearbeitung – Let them burn
Auf Special-Effects wird vor allem in der ersten Hälfte des Films mehrheitlich verzichtet, was allerdings die Momente, in welchen zu CGI gegriffen wird umso effektiver macht. Fans von großen Feuerszenen wie in „Gone With the Wind“ oder „There Will Be Blood“ kommen ebenso auf ihre Kosten wie die Anhängerschaft von verstörendem Bildmaterial wie man es beispielsweise aus „Black Swan“ kennt. Selbstverständlich sieht man diesen Effekten an manchen Stellen das beschränkte Budget an, aber da der grundsätzliche Fokus auf der Psyche der einzelnen Charaktere liegt, verliert der Film deshalb nicht an Aussagekraft.
Musik – Ambivalente Eindrücke
Ähnlich der Neuverfilmung des Horror-Klassikers „Suspiria“ aus dem Jahr 2018 hat auch „You Are Not My Mother“ eine durchaus unangenehme Tanzszene zu bieten. Während Angelas Bewegungen von anfänglichem Hin-Und-Her-Schwanken immer mehr zu exorzistisch wirkenden Körper-Verformungen übergehen, ist im Hintergrund „You are such a Good Looking Woman“ von Joe Dolan zu hören. Diese Ambivalenz zwischen auditiver und visueller Ebene ist ein klares Motiv durch den ganzen Film und verliert dadurch über die Spiellänge von eineinhalb Stunden sukzessiv an Charme.
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Filmkritk
Fazit
„You Are Not My Mother“ kann wohl am besten mit dem Wort „Slowburn“ beschrieben werden. Während sich vereinzelt (vielleicht sogar zu) viel Zeit gelassen wird mit dem Vorantreiben der Handlung, bekommt man den Burn-Faktor vor allem im letzten Akt des Films dafür umso deutlicher zu spüren. Fantasievoll und gespenstisch wird gezeigt, wie beängstigend – und stigmatisierend – die psychische Erkrankung eines Elternteils für dessen Kind sein kann.
Fazit
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