Tony Richardson war als Regisseur in den 60er Jahren für Filme wie Tom Jones -Zwischen Bett und Galgen bekannt geworden. Er war seinerzeit Teil des British New Wave Kinos und erhielt für ebendiesen Film auch einen Oscar als bester Regisseur. Mehr als 20 Jahre später würde sich Richardson dann der Romanvorlage zu Hotel New Hampshire widmen. Ob er den literarischen Erfolg von John Irving, der sich um die Abenteuer einer quirligen Familie in Neuengland dreht, erfolgreich einfangen konnte, erfahrt ihr in dieser Kritik.
Schauspieler – Das beste rausgeholt
Die Darsteller*innen sind mit weitem Abstand das beste Element dieses Films. Wir dürfen hier Talente wie Jodie Foster und Rob Lowe in ihren jungen Jahren erleben. Sie spielen das Geschwisterpaar Franny und John der Familie Berry. Und mit Paar ist hier in gewisser Weise tatsächlich auch eine romantische Konnotation enthalten, denn die beiden empfinden mehr als nur geschwisterliche Liebe zueinander. Ebenfalls bemerkenswert sind Beau Bridges als Win Berry, den Vater der Familie und Wilford Brimley als kauziger Großvater. Beide schaffen es, so viel Charme aus ihren Rollen rauszuquetschen wie möglich. Außerdem fällt auch ein junger Matthew Modine auf, dessen Stimme im Original allerdings leider von jemand anderem gesprochen wurde. Angeblich mochte Tony Richardson Modine aufgrund eines versehentlichen Vorfalls so wenig, dass er diese fragwürdige Entscheidung traf.
Ein kleines Highlight bietet tatsächlich Paul McCrane, der manchen von euch aus RoboCop vertraut sein dürfte.
Story – Kuddelmuddel
Worum geht es eigentlich in Hotel New Hampshire? Das ist keine rhetorische Frage, ich frage euch das, denn ich selbst habe auch keine Ahnung. Man könnte sagen, es geht eben einfach um die Familie Berry, die in den USA und Europa im Verlauf der Geschichte mehrere Hotels betreiben und allerlei Unfug erleben.
Grundsätzlich ist ein derartiger Ansatz auch nicht falsch, schließlich handelt es sich hierbei ja um eine Romanverfilmung. Und angeblich war Richardson sehr darauf bedacht, sich eng an das Buch zu halten. Allerdings ist ein Film nunmal kein Buch. Richardson schrieb das Drehbuch selbst und hat zu verantworten, dass lauter Charaktere viel zu kurz kommen und sich die gesamte Geschichte recht sinnlos anfühlt. Denn ehrlicherweise sind die Figuren hier nur teilweise als sympathisch zu bezeichnen, viel öfter als nervig. Das ist natürlich fatal für eine Handlung, die von ihren Charakteren leben soll. Im Übrigen meinte selbst John Irving, dass sich der Film zu sehr an sein Buch hielte. Eine seltene Beschwerde aufseiten von Autoren. Der Film spricht (vermutlich wie die Romanvorlage auch) einige interessante Themen an. Von Vergewaltigung über Inzest bis Kommunismus und Terrorismus ist hier alles dabei. Allerdings wird kein einziges dieser Themen auch nur halbwegs vertieft behandelt, weder auf seriöse, noch auf komödiantische Art und Weise. Das soll nicht heißen, dass es gar keine prägnanten oder witzigen Momente gäbe. Es gibt sie durchaus. Die Phrase “Keep passing the open windows” ist tatsächlich ein ganz schönes Lebensmotto, aber das vermag leider nicht über den Rest des Films hinweg zu täuschen.
Regie – Verfehlt
Tony Richardson ist mit Sicherheit ein besserer Regisseur, als man anhand dieses Filmes erkennen könnte. Zumindest hoffe ich das sehr. Zu seiner Arbeit in Hotel New Hampshire kann man eigentlich nur sagen, dass es eine komplette Verfehlung war. Tonal ist dieser Film eine unsägliche Katastrophe. In einer Szene werden die Kinder der Familie aufs härteste gemobbt und sogar sexuell belästigt, in der nächsten gehen sie zu fröhlicher Musik, lachend
Arm in Arm. Selbst nach einer Vergewaltigungsszene fühlt sich der Film nie dazu berufen, sich mal endlich für einen Ton zu entscheiden. Ich bin selbst ein großer Freund von Satire und bissigen, schwarzen Komödien, aber hier scheint es eher, als wäre der Film und damit der Regisseur verwirrt von sich selbst gewesen. Sehr gut erkennbar ist dieses Problem auch anhand von der Inzestliebe zwischen Franny und John. Es ist nicht unmöglich das Thema Inzest auf eine empathievolle Art dem Zuschauer zu präsentieren, doch Hotel New Hampshire scheitert dabei kläglich. Der gesamte Handlungsstrang verkommt am Ende zur Slapstickkomödie, nur ohne Lacher. Was mich zu der höchst fragwürdigen Entscheidung auf Richards Seite bringt, manche Szenen in der Postproduktion zu beschleunigen. Das war in den 60er Jahren zwar noch gang und gäbe, wirkt hier aber so unsagbar fehl am Platz. Insgesamt kann man nur sagen, dass Richardson sich mehr darauf hätte konzentrieren müssen, die vielen Segmente aus Irvings Buch tonal und inszenatorisch kohärent zusammenzufassen.
Nachbearbeitung – Slapstick
Die Nachbearbeitung verschlechtert, wie bereits erwähnt, einige Szenen noch zusätzlich. Der Film ist ansonsten überwiegend frei von Effekten. Die Blu-Ray hat eine solide Bild- und Tonqualität.
Filmmusik – Passend unpassend
Die Filmmusik passt sich an die tonale Inkonsequenz des Films ganz an. Sie selbst ist nicht zwingend das Problem, sondern eher wie Richardson sie in Szenen verwendet.
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Filmkritk
Fazit
The Hotel New Hampshire ist einer der ganz wenigen Filme, die ich kaum jemandem empfehlen könnte, weil ich schlichtweg nicht weiß, für wen dieser Film gemacht ist. Liebhaber von sehr skurrilen Tragikomödien könnten man einen Blick reinwerfen, doch als jemand, der für dieses Genre grundsätzlich sehr offen ist, würde ich selbst da keine richtige Empfehlung aussprechen wollen.
Fazit
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Schauspieler
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Story
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Regie
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Nachbearbeitung
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Filmmusik