Sieger schreiben die Geschichte: und so werden Rebellen oft zu Verbrechern verklärt. Vor allem wenn sie es wagen sich gegen die britische Krone aufzulehnen: Robin Hood, William Wallace, Rob Roy und Ned Kelly. Die meisten Leute werden sich jetzt fragen: aber wer zum Teufel ist Ned Kelly?
Story/Inhalt
Australien im 19. Jahrhundert: die ehemalige Gefängniskolonie ist gefüllt mit dem Abschaum des britischen Empires, wenn man die Kriterien der Krone heranzieht. So wurde auch die Familie Kelly aus Irland deportiert und lebt hier ein tristes Leben. Nachdem der Vater mysteriös zu Tode kommt, zieht sein Sohn Ned zusammen mit seinem Ziehvater aus um Rache zu nehmen, was ihm selbst eine Umerziehungsstrafe einbringt. Das ist der erste Schritt zu einer Karriere als Outlaw – selbst sieht er sich als Freiheitskämpfer des kleinen Mannes, die Regierung sieht ihn natürlich als Halsabschneider unter vielen.
Nach seiner Rückkehr nach Hause muss Ned feststellen, dass ein zwielichtiger Amerikaner seine Mutter in Beschlag nimmt und den Ruf der Familie befleckt. So gründet er kurzerhand mit seinen Halbbrüdern und anderen jungen Männern aus der Gegend seine eigene Bande – die Söhne der Schande bekämpfen die Regierung und schrecken nicht davor zurück die Gegend und alle, die sie nicht unterstützen, zu terrorisieren. Als schließlich eine kleine Armee von Polizisten aus der Hauptstadt anrückt, sammelt sich die Bande zu ihrem letzten Kampf, angeführt von Ned Kelly, der mit einer Rüstung aus Ofenteilen gepanzert nur ein Ziel kennt: Siegen oder Sterben.
Eine kleine, aber feine Anekdote der australischen Geschichte. Mit einer gewissen Distanz wird die Biographie von Ned Kelly in drei Akten schnörkel- und wertungslos erzählt. Die Antwort ob er nun Held oder nur ein Halsabschneider war, wird dem Zuschauer überlassen. 8 von 10 Punkten.
Schauspieler
Beworben wird der Film mit Russell Crowe, der natürlich der größte Star im Cast ist. Allerdings tritt Crowe nur als Stiefvater von Kelly im ersten Akt auf und hat nur gut und gerne 15 Minuten Screen Time. Sicher eine solide Leistung, doch seine Erstnennung hat wohl nur Marketingzwecke.
Die Hauptrolle des (erwachsenen) Ned Kelly nimmt George Mackay (1917) ein. Er zeigt die zwiegespaltene Persönlichkeit von Ned mit einer ausgezeichneten Leistung: vom naiven Rückkehrer nach seiner Haftstrafe über den psychotisch getriebenen Bandenchef bis zum liebenden Vater und Familienmensch ruft er alle Facetten eines guten Schauspiels ab.
In weiteren Rollen treten Charlie Hunnam (Sons of Anarchy) und Nicholas Hoult (Collide, Renfield) auf. Beide spielen Polizisten, die die Familie Kelly kennen und jeder auf seine Art ausnutzen. Beide sind zwielichtige Charaktere, die ohne ihre Marke wohl Teil der Bande geworden wären. Beide Rollen ergänzen den Kelly-Clan auf ihre Art und Weise.
Ein guter Cast mit durchwegs soliden Leistungen. Mittlerweile müsste man wohl nicht mehr mit Russell Crowe werben, weil alle drei anderen genannten Schauspieler mittlerweile ihre Marken gesetzt haben. Allerdings würden sie wohl aus Kostengründen nicht mehr für eine solche Produktion zur Verfügung stehen. Dieses Wissen wertet den Film etwas auf, was ihre Leistung aber nicht mindern soll. 8 von 10 Punkten.
Regie
Justin Kurzel inszenierte diesen Film fast drei Jahre nachdem seine Umsetzung von Assassins Creed in den Kinos mehr oder weniger durchgefallen war. Outlaws wurde direkt auf Blu-ray und Streaming veröffentlicht, schnitt zwar besser als die Videospielverfilmung ab, blieb jedoch eher unbeachtet. Das ist in Anbetracht des Films nicht verständlich. Selbst wenn er mit 125 Minuten Laufzeit vielleicht etwas zu lang ausgefallen ist, bleibt die Umsetzung des Romans von Peter Carey ein sehenswertes und rundes Werk, das sowohl das triste Buschfarmerleben in Australien als auch den Aufstieg und Fall einer „Wildwest“-Bande zeigt. Schon allein die krude Vorstellung, dass Ned Kelly in einer Art Ritterrüstung in sein letztes Gefecht marschierte, ist doch eine Anekdote der Geschichte, bei der man sich fragt warum sie nicht schon früher filmisch verarbeitet wurde. Dass der Film weltweit kaum 500.00 Dollar einspielte liegt bestimmt nicht an den Schauspielern oder an seiner Regie, sondern einzig am Veröffentlichungstermin Ende 2019. Darum 7 von 10 Punkten für die Arbeit von Kurzel.
Nachbearbeitung
Mit Kameraführung und Schnitt bringt Kurzel das trostlose Farmerleben im Outback gut auf den Bildschirm. Auch die rauen Charaktere spiegeln das Leben zur damaligen Zeit gut wieder: schmutzig, hoffnungslos und der Willkür der Polizei ausgeliefert – und der einzige Unterschied zwischen Verbrecher und Constable ist, dass letzterer eine Marke von der Regierung trägt. Zum Finale bekommt der Film ein bisschen die Atmosphäre von Videospiel „Red Dead Redemption“, inklusive des tödlichen Ausgangs für die Bande. Der Abspann ist in einer Graffiti Art inszeniert, was untermalt mit Punkmusik etwas fehl am Platze wirkt, obwohl es gut gemacht ist.
7 von 10 Punkten für die Aufmachung, da der Blick hinter die Kulissen und das Promo-Material eher schmal ausfallen. Dafür brachten die Kostüme und Aufmachung dem Film fast gleich viele Nominierungen wie den Schauspielern – obwohl alle leer ausgingen.
Musik
Jed Kurzel, Bruder des Regisseurs, brachte 19 Titel in den Film ein. Das reicht von atmosphärischer Begleitmusik über klassische Volksweisen, die in Limerick-Form Polizei und Staat diffamieren. Wie bereits erwähnt diesen Punknummern sowohl der Einleitung als auch dem Abspann zur Untermalung. Eine solide 8 von 10 Punkten für die Musik, die vor allem bei den Limerick-Volksweisen zum Schmunzeln ermutigen.
Filmkritk
Fazit
Ein zu Unrecht vernachlässigter Film mit einem guten Cast und einer biographischen Geschichte, die natürlich des Filmes wegen an gewissen Stellen frei interpretiert wurde. Wäre die Veröffentlichung nicht mit dem Beginn der Pandemie zusammengefallen, hätte in Anbetracht des Casts mehr aus diesem Film werden können. Auf jeden Fall ist er einen Blick wert, vor allem, wenn man skurrilen Geschichten in einem Western-Ambiente etwas abgewinnen kann. 7,5 von 10 Punkten für die Kelly Gang.