Der Umgang mit den amerikanischen Ureinwohnern ist den meisten Amerikanern ein unbequemes Thema. Landraub, Unterdrückung, gezielte Auslöschung: ein Thema, das bisher konsequent vermieden wird. Indianer durften in Western die bösen Wilden mimen und die Amerikaner waren die großen Helden, die den Wilden zivilisieren oder verjagen. Mit diesem Film widmet sich Regisseur und Produzent Scorsese der Geschichte der Osage aus Oklahoma. Die Gier nach Land, Öl und die Tatsache, dass es ja nur „Rote“ sind, deren Tode keine besondere Aufmerksamkeit durch die Justiz benötigt. Scorsese drückt den Finger in eine Wunde, von der die Meisten nicht einmal wissen, dass es sie gibt.
Story/Inhalt
Ernest Burkhart kehrt nach dem Ersten Weltkrieg zurück zu seinem Onkel William Hale, den alle nur „King“ nennen. Dieser beschafft ihm einen Job als Taxifahrer für die Osage, die amerikanischen Ureinwohner, die dieses Reservat bezogen bevor Öl entdeckt wurde. Dadurch kamen sie zu enormem Reichtum, ihnen sind aber gesetzliche (weiße) Vertreter als Verwalter zugeteilt. Diese Bevormundung zeigt sich auch darin, dass Todesfälle unter den Ureinwohnern gar nicht oder nur oberflächlich erfolgen.
Ernest arbeitet als Taxifahrer und trifft auf die reiche Erbin Molly, die bald seinem Werben nachgibt. Bestärkt durch seinen Onkel, der als Indianerfreund und Verwalter in der Gemeinschaft hoch angesehen ist, beginnen sie einen diabolischen Plan das Vermögen der Ureinwohner zu „konsolidieren“, was eine schöne Umschreibung dafür ist, mit allen Mitteln das Ölgeld an sich zu bringen.
Lange haben sie damit Erfolg. Selbst Mord und Anschläge bleiben, da Ärzte und Polizei eingebunden sind, leidlich ermittelt. Und externe Ermittler wie Detektive oder Staatsbeamte werden zum Schweigen gebracht. Bis das neu gegründete FBI auf ein Anliegen von Molly Burkhart beim Präsidenten beginnt zu ermitteln. Molly, mittlerweile Mutter von drei Kindern mit Ernest, ist die letzte lebende Erbin ihrer Familie und das nächste Ziel des Strebens von King. Nun steht Ernest vor der Entscheidung: die Loyalität zu seinem Onkel oder die Liebe zu seiner Frau.
Ein politisch-soziales Drama mit 3 Stunden 26 Minuten Nettolaufzeit. Wer große Schlacht (Gangs of New York) und schrille Bilder (Wolf of Wall Street) erwartet, ist hier falsch. Eine beeindruckend umgesetzte dramatische Geschichte mit viel Bildgewalt und Tiefe. 8 von 10 Punkte, doch für manche vielleicht zu langatmig umgesetzt.
Schauspieler
Die Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio und Robert De Niro haben bereits mit Scorsese zusammengearbeitet. Beide ziehen alle Register ihrer Palette. DiCaprio, wenn nicht schon ausgezeichnet, hätte hier seinen Oscar verdient. Das Spiel von De Niro erinnert an seinen Auftritt als Al Capone in „Die Unbestechlichen“ (Original: „The Untouchables“) – ein sympathischer Bösewicht, mit dem man zu einem gewissen Grade vielleicht sympathisiert.
Lily Gladstone übernimmt die Rolle der Molly Burkhart. Mit ihren indigenen Wurzeln als Grundlage für die Rolle steht sie ihren erfahrenen Kollegen in keinem Aspekt nach. In Nebenrollen findet man außerdem noch John Lithgow und Brandon Fraser.
Scorsese beweist ein gutes Gespür für die Besetzung der Rollen. Große Namen, ergänzt mit einem guten unterstützenden Cast, verdienen sich 8 von 10 Punkten.
Regie
Scorsese ist eine Größe der Regie. Viele würden sich wünschen, in ihrem Leben nur einen einzigen Film zu drehen, so wie er es über viele Jahrzehnte getan hat. Egal ob eigene Drehbücher, adaptierte Drehbücher oder ob er selbst in Regiesessel Platz nimmt. Dabei setzt er sich gerne über aktuelle Maßstäbe hinweg, experimentiert bei der Themenwahl und Umsetzung und fordert seine Schauspieler heraus. Alles zeigt sich hier in dieser Umsetzung, was auch für den Zuschauer bei der Laufzeit ein Marathon wird. Hier liefert er, wie so oft, bestimmt nicht einen Breitenfilm. Persönlich war ich gut unterhalten und dem Thema offen. Darum gebe ich 9 von 10 Punkten, obwohl andere Zuschauer sich über die Länge, langatmige Sequenzen und unnötige Nebenhandlungen mokierten.
Nachbearbeitung
Viel Liebe zum Detail zeichnet die Arbeiten von Scorsese. Bei der Ausstattung wird nicht gespart, angefangen von den klassischen Autos der Zeit, der Aufmachung und Gestaltung der Häuser und der Kleidung. Nebensächliche Themen wie die Prohibition, die in den Indianerreservaten nicht galt, den wirtschaftlichen Problemen der Viehwirtschaft, die Schwarzbrennerei und der steigende Bedarf für Öl, was die Handlungen von King nach diabolischer gestaltet. Hinzu nutzt Scorsese amerikanische Ureinwohner, die ihre Traditionen und Kleidung ohne Pathos in der Handlung einbringen können. Genau wie Molly Burkhart im zu Grunde liegenden Tatsachenbuch nehmen sie stoisch zur Kenntnis, was der weiße Mann ihnen angetan hat (und bis heute ausblendet, dass es jemals passiert ist).
7 von 10 Punkten für die Ausstattung.
Musik
Robbie Robertson liefert einen beeindruckenden Soundtrack, der traditionelle Lieder der amerikanischen Ureinwohner nebst traditionellen Blues- und Tradional Songs einbindet. Robertson, dessen Mutter indigener Abstammung war, verband diese Nummern mit viel Feingefühl und Gespür für die Situation. Der Soundtrack ist seine letzte Arbeit, da er im August 2023 verstarb. 7 von 10 Punkten für die Musik.
Filmkritk
Fazit
Breitenwirksam wird der Film wohl keine große Nummer. Dazu ist das Thema zu komplex, zu kontrovers und für den amerikanischen Markt schlicht nicht erwartet. In der ersten Woche konnte der Film nur ein Viertel seiner Kosten einspielen. Das liegt aber nicht an den Schauspielern oder der Regie, sondern nur am Thema. Es ist ein sehr guter Film, doch eben nicht breitenwirksam. Die lange Laufzeit, ohne Pause, schreckt vielleicht auch ab. Doch wer gutes Kino sucht, wird hier fündig. 8 von 10 Punkten.