Der aktuell zweitletzte Film des Studio Ghibli ist gleichzeitig auch erst der zweite Film des Regisseurs Hirosama Yonebayashi. Noch dazu ist der Film zuletzt für den Oscar als bester animierter Film nominiert worden, hat jedoch gegen „Alles steht Kopf“ verloren. Ob dieses düstere Märchen über Familie, Introversion und wie man seinen Platz in dieser Welt findet, so gut wie die Meisterwerke von Hayao Miyazaki („Chihiros Reise ins Zauberland„) ist und ob der Film den Oscar verdient hätte findet ihr jetzt in unserer Kritik heraus.
Schauspieler – Solide Auswahl
Der Film konzentriert sich größtenteils auf die Charaktere Anna (Laura Jenni) und Marnie (Lara Wurmer), da die Beziehung zwischen den beiden jungen Mädchen den wichtigsten Aspekt des Films darstellt. Beide deutschen Synchronstimmen leisten super Arbeit. Sie wirken realistisch und emotional zugleich und schaffen es jeweils in den dramatischen Szenen, die die beiden Figuren teilen, komplett zu überzeugen. Insbesondere Laura Jenni leistet tolle Arbeit und man kann den ganzen Film lang die langsame Entwicklung ihrer Figur anhand der Veränderung der stimmlichen Darstellung erkennen. Zum Ende des Films kann man sehen wie Anna endlich mit sich selbst im Reinen ist und Jenni stellt dies nahezu perfekt dar. Auch die restlichen Stimmen, die den Nebencharakteren angehören, machen ihren Job gut, sodass man kaum etwas zu meckern hat.
Story – Zu Tränen gerührt
Gleich zu Anfang des Films erfahren wir durch ein Voice Over von Anna, der Protagonistin, dass es in unserer Welt einen unsichtbaren Kreis gebe. Entweder ist man in diesem Kreis, oder man ist es nicht und Anna ist es nach eigener Aussage nicht. Mit wenigen Sätzen erkennt man als Zuschauer sofort was Anna für ein Charakter ist. Sie ist eine sehr introvertierte Persönlichkeit, hat ein geringes Selbstwertgefühl und sagt oft selbst über sich, dass sie sich hasst. Sie ist in jedem nur möglichen Aspekt ein Außenseiter. Man hat automatisch Mitleid mit der Figur und jeder Zuschauer der selbst eher introvertiert veranlagt ist wird sich mit der Figur schnell identifizieren können. Als Anna dann aufs Land zu ihrer Onkel und Tante geschickt wird kommt die Handlung eigentlich erst richtig ins Rollen. Dabei entwickelt sich zum einen ein schönes Jugenddrama, das sich auf die Beziehung von Anna und Marnie konzentriert und andererseits auch eine teils leicht gruselige Geistergeschichte. Wobei man als Zuschauer nie wirklich weiß, ob das was Anna nun erlebt hat real ist oder nicht. Man erfährt also bis zum Ende nicht, was es mit Marnie auf sich hat, doch die Auflösung ist all das Warten vollkommen wert. Die Auflösung des Geheimnisses ist nicht emotional ein Schlag unter der Gürtellinie, sondern macht auch noch im Kontext des Films perfekt Sinn, sobald man sich an die Hinweise erinnert, die über die Laufzeit clever verstreut wurden. Im Großen und Ganzen aber ist der Film eine Geschichte über ein junges, introvertiertes Mädchen, dass mit ihrer Vergangenheit und Herkunft in einer einzigartigen Weise konfrontiert wird. Abgesehen davon, dass sowohl Anna, als auch die lebensfreudige Marnie toll geschriebene Charaktere sind, schafft es der Film auch sehr einfühlsam und herzlich die teilweise doch tragische Geschichte zu erzählen. Tatsächlich gab es so einige Momente in denen ich bemerken musste wie mir Wasser aus den Augen lief.
Regie – Toll gemacht
Dafür, dass dies der erst zweite Film von Regisseur Hirosama Yonebayashi ist, muss man wortwörtlich den Hut abnehmen. Was die Regie angeht schafft er es doch tatsächlich an die Größe Hayao Miyazakis heranzukommen. Die Handlung hat einen tollen Fluss und wird nie wirklich langweilig, vor allem da man zu sehr in die Figuren vertieft ist. Auch wie Yonebayashi es schafft mysteriöse, fast schon für Kinder gruselige Momente, mit herzzerreißendem Drama abzuwechseln ist sehr beeindruckend. Man merkt bei diesem Projekt einfach, dass der Regisseur mit viel Herz und genauso viel Intelligenz herangegangen ist um eine Geschichte zu erzählen, die einem im Gedächtnis bleibt. Mission gelungen kann man da nur sagen.
Filmmusik – Schöne Untermalung
Die Filmmusik zu „Erinnerungen an Marnie“ wirkt oft sehr ruhig und an den passenden Stellen auch gerne mal etwas unheimlich. Auf jeden Fall werden die jeweiligen Szenen, seien sie nun dramatischer oder spannender Natur gut untermalt. Insbesondere eine Szene in der die beiden Mädchen miteinander tanzen bleibt noch länger im Gedächtnis, da die Musik einfach passt. Was allerdings mir persönlich am meisten gefallen hat war der Song „Fine on the inside“ von Priscilla Ahn, der zum Abspann spielt. Dieser hat womöglich für die eine oder andere Träne gesorgt und hat auch noch eine interessante Doppeldeutigkeit. Einerseits bedeutet der Titel, dass man so tut als ob es einem gut gehen würde, andererseits kann dieser auch bedeuten, dass man sich gut fühlt, obwohl man außerhalb des unsichtbaren Kreises ist. Eine insgesamt sehr schöne musikalische Leistung vom Komponisten Takatsugu Muramatsu.
Nachbearbeitung – Gewohnt schön animiert
Wer den tollen von Hand gezeichneten Animationsstil des Studio Ghibli gewohnt ist, der wird auch hier nicht enttäuscht werden. Die Landschaften wirken toll in Szene gesetzt und die Charaktere größtenteils toll und realistisch gezeichnet. Ein paar unwichtige Nebenfiguren hätten vielleicht etwas besser aussehen können und natürlich kommt der Film nicht ganz an die überragenden und photorealistischen Bilder von 5 Centimeters per Second etwa ran, doch so wirklich vergleichen kann man das auch nicht, denn die Zeichenstile des Studio Ghibli sind doch ganz anders als die der CoMix Wave Films. Vergleicht man die Animation dieses Films mit anderen Studio Ghibli Produktionen erkennt man dennoch klar, dass hier tolle Arbeit geleistet wurde. Auch das Sound Design will an dieser Stelle gelobt werden, denn eine Szene in einem Turm während eines Sturms wirkt doch sehr imposant.
Filmkritk
Fazit - Berührend
Erinnerungen an Marnie hat mich persönlich ganz besonders stark gerührt und das nicht nur auf Grund der tollen Musik, Animation und den Wendungen in der Handlung. Ich selbst bin ein ziemlich introvertierter Mensch und das schon seit frühester Kindheit. Dass das nicht immer ganz einfach war kann man sich vielleicht denken und "Erinnerungen an Marnie" schafft es genau das auf den Punkt zu bringen. Ich konnte mich persönlich hundert prozentig mit Anna identifizieren und daher hat mich die gesamte Handlung wohl noch mehr getroffen, als sie das sonst wahrscheinlich sowieso schon getan hätte. Außerdem sind Filme wie dieser wichtig. Filme die schüchternen, oder eher isolierten Kindern sagen: "Es ist gar nicht schlimm außerhalb des unsichtbaren Kreises zu stehen". Auf jeden Fall hätte es dieser Film nach meiner persönlichen Meinung sehr viel mehr verdient gehabt den Oscar davonzutragen als Alles steht Kopf, was auch ein guter, aber doch viel generischerer und bedeutungsloserer Film war. "Erinnerungen an Marnie" ist ein einzigartiger Film über das Erwachsenwerden und über Introversion, der es verdient hat von jedem Film Freak gesehen zu werden.
Fazit
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Schauspieler
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Story
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Regie
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Filmmusik
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Nachbearbeitung