Klimaproteste und Klimakleber auf den Straßen bringen bei vielen Leuten den Blutdruck schon durch bloße Erwähnung in ungesunde Höhen. Dieser französische Film zeigt an etwas anderes Bild der Aktivisten, ohne dabei den moralischen Zeigefinger wegzulassen oder zu werten.
Story/Inhalt
Als Albert an einem Black Friday einen Fernseher an Bruno verkaufen will, versucht sich Bruno, dessen Leben gerade in Schieflage ist, das Leben zu nehmen. Bei Brunos Schuldnerberater, der Albert auch helfen will, da dieser in derselben Situation steckt, geraten sie mit einer Gruppe von Klimaaktivisten in Kontakt. Eigentlich wollen sie auf deren Veranstaltung nur Gratisessen und –getränke abgreifen, lernen dabei aber die Aktivistin „Cactus“ kennen. In den Aktionen sehen beide eine Chance schnell und einfach Geld zu machen, sodass sie als „Küken“ und „Exlex“ weiter in der Organisation tätig sind. Dabei lernen sie aber sich selbst besser kennen und versuchen ihr Leben wieder in die Spur zu bekommen. Allerdings führt Alberts romantisches Interesse an Cactus auch zu Spannungen.
Der Film ist eine perfekte Kombination aus der Vorstellung der Klimabewegung, den beiden Hauptcharakteren, die der Sache zwar nicht verschrieben sind, aber unter dem System leiden, gepaart mit einem Grad von Komik und Romantik. Die „bösen“ Klimakleber erhalten ein sympathisches Gesicht, während die „bösen“ Konsummenschen trotzdem Menschen mit guten und schlechten Seiten sein dürfen. Gut gemacht, und darum 9 von 10 Punkten.
Schauspieler
Pio Marmaï (Die drei Musketiere – Milady) und Jonathan Cohen (The Beekeeper) spielen Albert und Bruno. Beide überschuldet, sind sie zunächst Opportunisten innerhalb der Bewegung, die sich dann immer mehr mit den Ideen anfreunden und versuchen, alles besser zu machen. Getrieben von der anfänglichen Dreiecksbeziehung mit Cactus, gespielt von Noémie Merlant (Tár), versuchen beide bessere Menschen zu werden und ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Dabei sind sie von Anfang bis zum Ende sympathisch.
Mathieu Almaric (München, James Bond: Ein Quantum Trost) spielt den Schuldenberater von Bruno. Als Treiber der Nebenhandlung bringt er immer wieder kleine Kurskorrekturen in der Motivation der beiden Überschuldeten, was ihre Handlung und den Charakter voranbringt. Der Cast geht in der gut erzählten Geschichte voll auf und verdient sich ebenfalls 9 von 10 Punkten.
Regie
Regie und Drehbuch teilen sich Éric Toledano und Olivier Nakache. Nach „Ziemlich beste Freunde“ bringen sie erneut ein provozierendes Thema mit einer unglaublichen Leichtigkeit und einem wunderbaren Erzählstil auf die Leinwand, sodass die Schauspieler mit sichtlicher Leichtigkeit und Freude ihre Arbeit verrichten können. Sie nehmen sich die Zeit das Leben von Albert und Bruno zuerst aufzuzeigen um sie dann bei ihrer Entwicklung zu begleiten ohne unnötige Längen, kitschige Einlagen oder unpassende Situationskomik zu nutzen. Großes Kino, das auch 9 von 10 Punkten verdient.
Nachbearbeitung
Sowohl Intro als auch Abspann bestehen aus einer Kollage der Ansprachen der französischen Präsidenten, die davon sprechen welch schwierige Zeiten sich Frankreich stellen müsse. Wie eine Gebetsmühle wiederholen sie den Aufruf an die Bürger Geduld zu haben und Einsatz zu zeigen. Dann wird mit einem harten Schnitt die Konsumgier eines Black Friday eingeleitet, der zu einer Szene führt, die in der späteren Handlung für Albert noch Auswirkungen haben wird. Durch die ganze Handlung zieht sich dann dieser Tenor: einerseits die, die alles haben und gar nicht mehr wissen warum sie noch mehr haben wollen, andererseits die Aktivisten, die aus dem, was sie haben, das Beste machen wollen. Eine schwierige Gratwanderung, bei der schnell Verurteilungen oder Wertungen entstehen könnten – aber die Regisseure umschiffen diese geschickt ohne die Handlung zu beeinflussen.
Handwerklich ist der Film, mit teils minimalistischen Mitteln, gut gemacht und bekommt 8 von 10 Punkten für die Aufmachung.
Musik
Die Filmmusik umfasst 11 Tracks. Von Liedern im Stile eines Chansons, zu alten Revolutionshymnen von Jimi Hendrix oder The Doors. Auch Disco (Le Freak von Chic) und zeitgenössischer Pop finden Einzug. Immer passend zur Handlung unterstreicht die Musik die Ruhe, Romantik oder Tragik der Szene. Auch hier 8 von 10 Punkten.
Filmkritk
Fazit
Mit 8,5 von 10 Punkten ist der Film, der als „A Difficult Year“ vermarktet wurde, ein weiterer toller Eintrag für das französische Kino. Aufgrund des Themas wohl nicht so erfolgreich wie „Ziemlich beste Freunde“ liefert das Regie-Duo eine sehenswerte, leichte Unterhaltung. Im Verlauf der Handlung blockieren die Aktivisten Straßen, stören Pressekonferenzen und Treffen von Politikern, stören Modeschauen oder besetzen öffentliche Flächen und Museen. Die bloße Andeutung solcher Aktionen löst bei einigen wohl schon Schnappatmung aus, während es eigentlich ein friedlicher Protest und Aufruf zur Veränderung ist, der ein krankes System stört, aber im Endresultat doch nur einen kurzen Moment einen Einfluss hat. Aber etwas getan zu haben ist besser als nichts getan zu haben. Die Aktivisten haben zumindest brauchbarere und machbarere Lösungen im Angebot als polternde Populisten, die mit ihren Lösungen nur die eigenen Unzulänglichkeiten kaschieren wollen.